Immer wieder geraten Auto- und Radfahrer auf der Straße aneinander – leider nicht nur im übertragenen Sinne. Dabei mangelt es beiden Seiten regelmäßig nicht nur an Rücksichtnahme, sondern auch an verkehrsrechtlichem Know-how.
Mobilitätswende, Klimawandel, überlastete Straßennetze: Es gibt viele Gründe, warum das Fahrrad als Fortbewegungsmittel immer beliebter wird. Um auch in Deutschland die Attraktivität des Radverkehrs zu steigern, räumt der Gesetzgeber Radfahrer:innen vor allem in Städten immer mehr Privilegien ein. Auch die im vergangenen Jahr in Kraft getretene jüngste Novelle der Straßenverkehrsordnung beinhaltet entsprechende Maßnahmen, darunter exklusive Nutzungsrechte in designierten Verkehrszonen und neue Schilder.
Doch während die Zahl der Radfahrer:innen seit Jahren konstant zunimmt, entwickelt sich die Infrastruktur nicht im gleichen Tempo. Vielerorts bleibt Radfahrern deshalb gar nichts anderes übrig, als die gleichen Verkehrswege zu nutzen wie Kraftfahrzeuge. Konflikte sind vorprogrammiert, im umkämpften Stadtverkehr kollidieren dann nicht selten auch unterschiedliche Lebenswelten.
„Die Beziehung zwischen Rad- und Autofahrern ist stark vorbelastet“, weiß auch unsere Geschäftsführerin Sabine Keinath. „Der abgehetzte Radler auf der Hauptstraße zur Rush Hour und der zum riskanten Überholmanöver ansetzende Pkw-Fahrer: Beide Seiten bezichtigen sich gegenseitig der Behinderung und Einschränkung, jeder beansprucht die Straße für sich allein.“
Unsere Fahrlerer:innen versuchen Fahranfänger:innen deshalb schon während der Ausbildung für mehr Rücksichtnahme gegenüber anderen Verkehrsteilnehmer:innen zu sensibilisieren. „Natürlich ist jeder primär für die eigene Sicherheit verantwortlich. Als Autofahrer:in ist es aber meine besondere Verantwortung, aktiv zum Schutz weniger PS-starker Verkehrsteilnehmer beizutragen.“
Verkehrspolitisch ist man offenbar ähnlicher Ansicht: Gesonderten Fahrradzonen, Radschnellwege, ein vorgeschriebener Mindestabstand beim Überholen oder der Grünpfeil für Radfahrer:innen sollen dieses Ungleichgewicht zukünftig abmildern und die Rechte von Radfahrer:innen stärken.
Sabine Keinath begrüßt grundsätzlich die Pläne für mehr Fahrradfreundlichkeit, wünscht sich aber mehr Aufklärung und einheitliche Standards: „Bei der konkreten Umsetzung von Maßnahmen sind die Verkehrsbehörden auf sich allein gestellt, etwa was die Markierung der neuen Fahrradzonen angeht.“
Tatsächlich sind wenige Rad- und Autofahrer:innen hinreichend über die geltenden Bestimmungen informiert. Frau Keinath rät deshalb dazu, sich intensiver mit neuen und alten Regelungen auseinanderzusetzen, plädiert aber auch unabhängig der verkehrsrechtlichen Dimension für mehr Gelassenheit und Solidarität: „Wie gut wir auf und auch abseits der Straße miteinander auskommen, ist letztlich auch eine Haltungsfrage.“ So seien Verständnis und gegenseitige Rücksichtnahme auch im langwährenden Konflikt zwischen Auto- und Fahrradfahrer:innen die zentralen Voraussetzungen für eine friedliche Koexistenz.